CPI-Prüfgrundsätze

und was sie wert sind

Es ist faszinierend, dass die CPI-Prüfgrundsätze im Juni 2021 entwickelt und veröffentlich worden sind. Noch spannender ist jedoch, dass bereits die ausgelieferten „Schutzmasken“ des Masken-Hilfspaketes danach geprüft worden sind.

Auf den Prüfgrundsatz in Anlehnung GB2626 gehe ich nicht weiter ein, da hinsichtlich der Bereitstellung und Verwendung irrelevant ist.

Den Prüfgrundsatz in Anlehnung an EN 149 erkläre ich nur Anhang des Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 und begrenze mich auf die offensichtlichen Fragestellung, um den Rahmen nicht zu sprengen.

Für das Bundesministerium für Gesundheit galt und gilt zu jeder Zeit gerade beim Thema medizinische Schutzmasken:

Safety first! – Die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer hat absolute Priorität. Das schließt übrigens auch den Aspekt der Verfügbarkeit schützender Masken ein. Insofern sind die aktuellen Unterstellungen und Vorwürfe nicht akzeptabel, politisch durchsichtig und entschieden zurückzuweisen.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Zum einen bezieht sich das Bundesminsiterium für Gesundheit auf die Berichterstattung der Zeit vom 01.06.2021 „Die vom Bund waren besonders beschissen“ und dem Bundesministerium für Gesundheit waren die Messergebnisse mehrer „Schutzmasken“ mit deutlich ungenügenden Filterleistungen bekannt, ohne das gehandelt worden ist. Insofern ist die Aussage „Safety first“ in keinem Falle zu halten.

Der CPI-Prüfmaßstab entspricht den wesentlichen Anforderungen, die für die Maskentypen FFP (europäische Norm EN149) und KN95 (chinesische Norm GB 2626) gelten, und ist in insoweit auch deckungsgleich mit dem vom BMAS jetzt vorgetragenen ebenfalls vereinfachten Prüfgrundsatz CPA (CP-Arbeitsschutzmaske).

[…]

Wichtig: Die vom BMAS jetzt angeführte und eingeforderte Prüfnorm CPA und die vom BMG entwickelte Prüfnorm CPI sind in diesen, dem Infektionsschutz dienenden Aspekten identisch!

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Bei dem einfachen Vergleich des Prüfgrundsatz für SARS-Cov-2 Pandemie – medizinische Gesichtsmasken – Rev. 0 vom 14. April 2020 und dem CPA-Prüfgrundsätzen (gleich welcher Revision) zeigt, dass die Prüfgrundsätze weder deckungsgleich noch identisch sind. Die Aussage kann nur jemand treffen, der beide Dokumente nicht kennt oder gelesen hat.

Zum aktuell im Raum stehenden Vorwurf der angeblichen Minderwertigkeit der Masken ist daher anzumerken: Alle Schutzmasken, die den CPI-Prüfmaßstab erfüllen, gewährleisten einen effektiven Infektionsschutz!

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Dem wage ich mich in Kenntnis mehrere unzureichender Prüfergebnisse und dem in der Zeit veröffentlichtem Wert von 44% Filterdurchlass mit Natriumchlorid zu widersprechen.

Richtig ist, dass sich der CPI-Prüfgrundsatz von den vor der Empfehlung der EU-Kommission geltenden Regelungen in zwei Punkten unterscheidet:

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Also der CPI-Prüfgrundsatz (welcher eigentlich) kann ich von der Empfehlung der EU-Kommission nicht unterscheiden, da die EU-Kommission gar keine klaren Empfehlungen gemacht hat. Wohl aber unterscheidet er sich in einem wichtigen Punkt gravierent:

Das für Medizinprodukte zuständige BfArM hat für Schutzmasken, die den hohen CPI-Prüfmaßstäben erfüllen, eine sogenannte Multitypen-Sonderzulassung als Medizinprodukt, also zum Einsatz für den medizinischen Zweck des Infektionsschutzes erteilt.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

(6) Einweg- und Mehrweg-Gesichtsmasken zum Schutz vor durch Partikel verursachte Gefahren, Einweg- und Mehrweg-Schutzanzüge sowie Handschuhe und Schutzbrillen, die zur Vorbeugung von schädlichen biologischen Agenzien wie Viren und zum Schutz vor diesen verwendet werden, sind Produkte, die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/425 fallen.

Empfehlung (EU) 2020/403 vom 13.03.2020

Der wesentliche Unterschied ist also, dass die EU Kommission klar stellt, dass für Gesichtmasken mit Schutz vor Viren unter die PSA-Verordnung (EU) 2016/425 fallen und das Bundesministerium für Gesundheit trotzdem und besseren Wissens und auf Berufung auf die Empfehlung (EU) 2020/403 die CPI als Medizinprodukte zu lässt. Dies begründet auch nochmal die Unzulässigkeit der Bereitstellung durch die Arbeitgeber und Unternehmer.

Aber jetzt zu dem was das Bundesministerium für Gesundheit als Abweichungen aufführt:

1. Temperaturkonditionierung: Vorgesehen ist mit Blick auf den Arbeits- (nicht (!!) den Infektions-)schutz, das Material in trockener Atmosphäre für die Dauer von 24 Stunden auf 70 Grad Celsius zu erhitzen und anschließend für weitere 24 Stunden auf – 30 Grad zu kühlen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich diese besonderen Temperaturen im Pandemiealltag – anders als möglicherweise in einzelnen Bereichen des Arbeitsschutzes – nicht stellen. Hinweis: Im o.g. CPA-Prüfgrundsatz, auf den sich das BMAS bezieht, wird dem selbst teilweise Rechnung getragen: Die Forderung einer Absenkung auf -30 Grad Celsius findet sich dort auch nicht.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Nochmals – ich diskuiere hier nicht fachliche Sachverhalte, da es sinnlos ist, diese mit dem Bundesministerium für Gesundheit zu diskutieren.

  1. Infektionsschutz ist Arbeitsschutz, wenn er das Individium betracht. Zumindest im Verständnis der Europäischen Kommission und den Verordnungen.
  2. Natürlich arbeiten keine Menschen mit partikelfiltrierenden Halbmasken 24 Stunden bei 70°C. Dafür ist die Prüfung auch gar nicht, sondern für die Lagerbedingungen und Alterung. Die -30°C wurden deswegen gestrichen, da sie (kurzfristig) für Deutschland nicht relevant sind, aber selbstverständlich, wenn die Produkte EU-weit frei gehandelt werden sollen.
  3. Die Lektüre des eigenen Prüfgrundsatzes ist sehr interessant:

4. Anforderungen und Prüfung
4.1 Übersicht der Prüfungen
Sichtprüfung 1 (TC) + 1 Muster unkonditioniert siehe Abschnitt 4.4.1
Anlegeprüfung 1 (TC) + 1 Muster unkonditioniert siehe Abschnitt 4.4.2
Atemwiderstand 2(TC) siehe Abschnitt 4.4.3
Durchlass des Filtermediums 2(TC) siehe Abschnitt 4.4.4

4.3 Konditionierung
Es erfolgt eine Konditionierung von 6 Prüfmustern in trockener Luft bei 70°C für 2h (TC).

Bundestag Drucksache 19/21798 vom 21.08.2020 Seite 57 (Hervorhebungen durch mich)

Also im April 2020 befanden das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und der TÜV Nord als Prüfhaus für Medizinprodukte eine Temperaturkonditionierung für notwendig und war deswegen Bestandteil des eigenen Prüfgrundsatzes. Im Juni 2021 argumentiert das Bundesministerium für Gesundheit im Faktenblatt auf Grund der aktuellen Berichterstattung, dass die Temperaturkonditionierung, dass dies nur für den Arbeitsschutz relevant ist (was ja der Schutz der Beschäftigten im Gesundheitswesen ist) und streicht mal eben im Prüfgrundsatz für Corona-Pandemie-Infektionsschutzmasken (CPI) in Anlehnung an EN 149 die Temperaturkonditionierung im Juni 2021. Da bleibt die Frage – nach was wurden eigentlich die „Schutzmasken“ getestet?

2. Gebrauchssimulation:
Es wurden selbstverständlich im Rahmen des CPI-Prüfgrundsatzes vom TÜV Nord Anlege- und Gebrauchssimulationen durchgeführt: zB. wurden Paßform, Dichtsitz auch bei Bewegungen, Geruch, Belastbarkeit der Bänder und des Nasenbügels, mehrmaliges An- und Absetzen der Masken, feuchtigkeitsabweisende Eigenschaften (Hydrophobie) und andere Punkte geprüft. Mit der Prüfung der Hydrophobie kann festgestellt werden, ob die Filter der Masken bei Kontakt mit Aerosolen durchfeuchtet werden und damit die Schutzwirkung eingeschränkt ist. Insofern ist für die hydrophobische Eigenschaft der Masken die in der DIN EN149 (8.3.1) gestellte Anforderung (Gebrauchssimulation zur Durchfeuchtung der FFP2-Maske) ausdrücklich berücksichtigt.
Von der vom BMAS eingeforderten Durchführung der weiteren Prüfungen aus dem Arbeitsschutz, die sog. verlängerte Anlegeprüfung (DIN EN149 7.7) wurde abgesehen. Diese Regelungen sind nach Auffassung des BMG für die beabsichtigte Schutzwirkung gegen das Sars-CoV2-Virus aber eben auch nicht relevant.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Jetzt doch mal kurz fachlich: Nein, eine Prüfung der feuchtigkeitsabweisenden Eigenschaften ersetzt nicht die Gebrauchssimulation zur Durchfeuchtung. Einfach ausgedrückt ist die erste Prüfung dafür da herauszufinden ob eine medizinische Gesichtsmasken einen Tropfen z.B. Blutspritzer aufnimmt und an die Haut weitergibt. Die zweite Prüfung ist dazu da herauszufinden welchen Einfluss die feuchte Ausatemluft auf die Filterwirkung (z.B. elektrostatische Eigenschaften) hat.

Daher ist zusammenfassend zu betonen: Die Schutzmasken, die seitens des BMG zur Verteilung an Gemeinschaftseinrichtungen vorgeschlagen wurden, erfüllen nachweislich die Anforderungen des Infektionsschutzes – und genau um den geht es in der aktuellen Pandemie. Zwischen BMAS und BMG gib es keine unterschiedlichen Auffassungen über die notwendige Sicherheit, wohl aber über die korrekt anzuwendenden Rechtsgrundlagen.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Dass ich die Schutzwirkung der „Schutzmasken“ des Bundesministeriums für Gesundheit mehr als nur in Zweifel ziehe, brauche ich hier nicht nochmals zu betonen. Was den Unterschied in den Rechtsauffassungen betrifft, ist dies meiner Ansicht nach recht einfach zu erklären. Wenn das Bundesministerium für Gesundheit das tun würde, was in der Empfehlung (EU) 2020/403 steht, nämlich, dass Gesichtsmasken zum Schutz gegen Viren unter die PSA-Verordnung (EU) 2016/425 fallen, dann wäre die Marktüberwachungsbehörde dafür zuständig und hätte nach MedBVSV § 9 Abs. 3 eine Bescheinigung für die Produkte ausstellen müssen. Bei den zugrundeliegenden Prüfung (und der Nichtzuordnberkeit) wäre diese aber nicht möglich gewesen. Die Marktüberwachungsbehörde hätte also Maßnahmen ergriffen um die Gesundheit und das Leben der Beschäftigten zu schützen. Das das Bundesministerium für Gesundheit immer wieder (nachzulesen u.a. in der Bundestag Drucksache 19/21798) von Persönlicher Schutzausrüstung spricht, sei hier nur am Rande erwähnt.

Bereits mit Wirkung ab 1. Oktober 2020 hatte die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik die von ihr veröffentlichten Ausnahmeregelungen für persönliche Schutzausstattung (CPA-Prüfgrundsatz) mit Kenntnis des BMAS, aber ohne Zustimmung des BMG zurückgenommen, die vor dem Beginn der Pandemie geltenden Regelungen wieder aktiviert und buchstäblich über Nacht eine veränderte Rechtsgrundlage geschaffen – so, als ob die Pandemie vorbei wäre. Das war sie aber nicht.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)
  1. Inhaltlich: Nein, die ZLS hat nicht so getan also ob die Pandemie vorbei wäre, sondern hat auf Grund der Feststellung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukten, dass keine Versorgungsengpässe für partikelfiltrierende Halbmasken mehr besteht. Daher war auch die Ausnahme nicht mehr notwendig. Warum beim Bundesministerum für Gesundheit der Bedarf bestand die „Schutzmasken“ „loszuwerden, kann mal im Bericht des Bundesrechnungshofes „Prüfung der zentralen Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung für das Gesundheitswesen“ nachlesen.
  2. Der Beschluss ist am 11.08.2020 ergangen und veröffentlicht worden und trat für Prüfungen, die ab dem 01.10.2020 begannen in Kraft. Das müssen sehr lange Nächte im Bundesministerium für Gesundheit sind. Die Rechtsgrundlage ist immer noch bis heute mit MedBVSV § 9 die gleiche wie früher.

Seit Beginn der zweiten Welle im Herbst hat sich das BMG darum bemüht, die Pandemieregelungen wieder in Kraft zu setzen, um auch die vom Bund beschafften CPI-Masken zum Einsatz bringen zu können.
Entsprechende Wünsche, die Pandemieregelungen wieder in Kraft zu setzen, liegen dem BMG auch von mehreren Bundesländern vor, die sich ebenfalls rechtlich gehindert sehen, ihre selbst beschafften qualitätsgeprüften Schutzmasken zu nutzen.

Faktenblatt zur aktuellen Berichterstattung rund um das Thema Schutzmasken vom 06.06.2021 (Hervorhebungen im Dokument)

Man kann das jetzt in zwei Richtungen lesen:

  1. Es gab keine Regelungen nach denen die „Schutzmasken“ vom Bund zum Einsatz gebracht werden könnten. Trotzdem hat man das Masken-Hilfspaket ausgeliefert.
  2. Das Bundesministerium für Gesundheit wollte umbedingt, unabhängig von nicht mehr bestehenden Versorgungsengpässen, die eigenen Lager leeren und damit ist man ein kostenfreier Wettbewerber für die selbst im Rahmen der Ausschreibung der deutschen Produktion und Wirtschaftsförderung des BMWI geworden. Effizienter kann man die eigenen Bemühungen der Bundesregierung zu Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China nicht torpedieren. Das die „Schutzmasken“ darüberhinaus nicht zugelassen und geeignet waren, sei wieder nur am Rande bemerkt.

Zu der Rolle des Bundesministeriums für Gesundheit hier mehr.