Prüfgrundsätze

im Wandel der Zeit

Im Laufe der Zeit gabe es eine Menge unterschiedlicher Prüfgrundsätze, die ich hier kurz darstelle und danach einordne.

Der erste Prüfgrundsatz war der „Prüfgrundsatz für Corona-Virus Pandemie Atemschutzmasken“ (CPA) in der Revision 0 vom 19.03.2020. Er ist von zwei Prüfhäusern (Dekra und IFA) für Persönliche Schutzausrüstung mit entsprechend langjähriger Erfahrung geschrieben worden.

Bereits am 26.03.2020 wurde der Prüfgrundsatz in der Revision 1 herausgegeben.

Am 14.04.2020 schrieben das Bundesinistitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (also keine Persönliche Schutzausrüstung) zusammen mit dem TÜV Nord (kein Prüfhaus für Persönliche Schutzausrüstung zu der Zeit) den Prüfgrundsatz für Corona SARS-CoV-2 Pandemie – medizinische Masken in der Rev. 0 vom 14.04.2020. Diese Prüfgrundsatz wurde in der Bundestag Drucksache 19/21798 am 21.08.2020 veröffentlicht. Spannend an dem Prüfgrundsatz ist die Einschränkung in der Anwendung.

Dieses Dokument beschreibt die minimalen Anfordernugen und Prüfverfahren für medizischen Gesichtsmasken die im Zusammenhang mit der Corona SARS-CoV-2-Virus Pandemie beschafft worden sind […] Die medizischen Gesichtsmasken nach diesem Prüfgrundsatz sind auch keine persönliche Schutzausrüstung gemäß PSA Verordnung (EU) 2016/425.

Bundestag Drucksache 19/21798 vom 21.08.2020 Seite 56 (Hervorhebung erfolgte im Dokument)

Hierbei ist es relevant zu wissen, dass der Begriff „Medizinische Gesichtmasken“ sicherlich nicht willkürlich gewählt worden ist, da er der Titel der Norm „DIN EN 14683:2019-10 Medizinische Gesichtsmasken – Anforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung EN 14683:2019+AC:2019“ ist. Dies sollte dem zuständigen Bundesinistitut und einem Prüfhaus für Medizinprodukte bekannt gewesen sein.

Auf ergeben die Werte im Ergebnisbericht keinen Sinn, wenn diese auf „Schutzmasken“ (weniger als 6% Filterdurchlass) angewendet werden:

Im Ergebnis der Prüfungen 4.4.4 erfolgt eine Klassifizierung der medizinischen Gesichtsamsken nach folgender Abstufung:

a) 0-6% Durchlassgrad: Vergleichbar mit Typ II / IIR gem. DIN EN 14683
b) 6-15% Durchlassgrad: Vergleichbar mit Typ I gem. DIN EN 14683
c) >15% Durchlassgrad: keine medizinische Zweckbestimmung, Verwendung als Community-Mask möglich

Bundestag Drucksache 19/21798 vom 21.08.2020 Seite 58 (Hervorhebung erfolgte im Dokument)

Sofern diese Prüfung nur auf medizinische Gesichtsmasken angewendet worden wäre, würde dies kein Problem darstellen, da medizinische Gesichtsmasken keinen Schutz des Trägers vor Aerosolen bieten. Jedoch berichtet die Bundesregierung in der Drucksache 19/21798 am 21.08.2020:

b) Schutzmasken, die höhere Filtrationsleistungen erfüllen müssen (FFP2 und FFP3, KN95 und vergleichbare Typen) werden zusätzlich stichprobenartig in Deutschland mit einem zwischen TÜV Nord und dem BfArM abgestimmten Verfahren im Labor getestet. Geprüft werden sollen im Wesentlichen der Durchlass des Filtermediums (Durchlassprüfung) und der Atemwiderstand. Grundlage für die Laborprüfungen war der Prüfgrundsatz für Corona SARS-Cov-2 Pandemie Atemschutzmasken (CPA) Rev. 1 vom 26. März 2020. Der Durchlass des Filters der CPA wurde nach diesem Prüfgrundsatz anfangs auch mit Paraffinöl getestet.

Bundestag Drucksache 19/21798 vom 21.08.2020 Seite 4(Hervorhebung durch mich)

Aus keinem der veröffentlichen Dokumente geht hervor, dass die „Schutzmasken“ nach anderen Kriterien als denen der medizinischen Gesichtsmasken geprüft worden sind.

Nochmals zur Einordnung: Der CPA-Prüfgrundsatz erfolgte

Dieser Prüfgrundsatz ist nur dazu bestimmt, im Rahmen der Empfehlungen genannten behördlichen Maßnahmen gegen die Auswirkungen des Covid-19-Ausbruchs verwendet zu werden. Er bezieht sich auf die Empfehlung (EU) 2020/403 der Europäischen Kommission vom 13. März 2020 über Konformitätsbewertungs- und Marktüberwachungsverfahren im Kontext der COVID-19-Bedrohung.

Prüfgrundsatz für Corona-Virus Pandemie Atemschutzmasken Rev. 0 vom 19.03.2020

Zum besseren Verständnis des Kontextes:

8. PSA oder Medizinprodukte ohne CE-Kennzeichnung können ebenfalls bewertet und in einen von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten organisierten Beschaffungsvorgang einbezogen werden, sofern sichergestellt ist, dass diese Produkte nur medizinischen Fachkräften und nur für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung zur Verfügung stehen und dass sie nicht in die normalen Vertriebskanäle gelangen und anderen Verwendern zugänglich gemacht werden.

Empfehlung (EU) 2020/403 vom 13.03.2020

Trotz der Kenntnis, dass der BfArM/TÜV-Prüfgrundsatz nicht dem CPA-Prüfgrundsatz entsprach (stand schließlich im gleichen Dokument) schreibt die Bundesregierung:

Genau diese Situation besteht im Bereich der durch das Sonderrecht des Bundes als verkehrsfähig geltenden CPA-Masken gerade nicht. Vom Bund beschaffte CPA-Masken sind nicht aufgrund einheitlicher Normen EU-weit, sondern aufgrund von nationalen Sonderregelungen jeweils nur für einen lokal und sachlich begrenzten Personenkreis bestimmt.

Bundestag Drucksache 19/21798 vom 21.08.2020 Seite 10 (Hervorhebung durch mich)

Offensichtlich war keinem bewusst, dass die „Schutzmasken“ des Bundesministeriums für Gesundheit eben keine CPA waren, da nicht nur der Prüfstoff (Natriumchlorid statt Parafinöl), sondern auch die zu erreichenden Werte deutlich geändert worden sind. Mit dem Verständnis, dass das Bundesministerium für Gesundheit CPA ausliefert, wurde folgender Passus in die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung aufgenommen:

Anlage Einsetzbare Atemschutzmasken
KN95 BMG/BfArM/TüV-Prüfgrundsatz Vom Bund im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben nach § 5 Absatz 2 Ziffer 4 c Infektionsschutzgesetz beschaffte Schutzmasken. Deutschland

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021

Im Referentenentwurf dazu steht:

Zur Anlage (Einsetzbare Atemschutzmasken)
Die Anlage enthält die Schutzmasken, die nach § 3 Absatz 2 derzeit in Deutschland verkehrsfähig sind und vom Arbeitgeber ausgewählt und zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Referentenentwurf zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 20.01.2021

Nach der Aufklärung über den Sachverhalt der Prüfung der in der Bundestag Drucksache 19/21798 beschrieben ist, kam das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seiner Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 12.03.2021 zu folgenden Schlüssen:

6. Die Anlage wird wie folgt geändert:
a) In dem Satz nach der Überschrift werden nach dem Wort „nach“ die Wörter „§ 3 Absatz 1 sind derzeit in Deutschland verkehrsfähig“ durch die Wörter „§ 4 Absatz 1a können ausgewählt und benutzt werden“ ersetzt.
b) In der Tabelle wird die letzte Zeile zu der in der ersten Spalte zugehörigen Überschrift „KN95“ gestrichen.
c) Der Fußnote 1 wird folgender Satz angefügt: „Corona SARS-CoV-2 Pandemie Atemschutzmasken (CPA) können zum Beispiel überprüfte KN95-Masken sein, die nach dem Prüfgrundsatz für CPA der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik getestet worden sind.“

Zu Nummer 6
Zu Buchstabe a
Buchstabe a regelt eine redaktionelle Klarstellung des Gewollten.
Zu Buchstabe b
Die Streichung dient der Klarstellung des Gewollten. Der Anhang enthält eine abschließende Übersicht zu den geeigneten Atemschutzmasken. Dazu können zum Beispiel Atemschutzmasken der Klasse FFP2-Maske im Sinne der EN 149 gehören oder überprüfte KN95-Masken, die nach ZLS-Prüfgrundsatz getestet worden, die dann als Corona-Pandemie-Atemschutzmasken (CPA) gelten. In erster Linie sind Atemschutzmasken im Sinne der Verordnung (EU) 2016/425 zu verwenden, die eine CE Kennzeichnung tragen und ein entsprechendes Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen haben. Im Frühjahr 2020 haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Gesundheit den Ländern aufgrund der damaligen Mangelsituation empfohlen, auch Atemschutzmasken für verkehrsfähig zu erachten, wenn diese nicht vollständig dem europäischen Recht, aber einem verkürzten Prüfgrundsatz entsprechen. Dieser Prüfgrundsatz ist auf Grundlage der für Atemschutzmasken einschlägigen europäischen Norm EN 149 von der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) im Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der DEKRA Ende März 2020 entwickelt worden. Die europäische Kommission hat Mitte März 2020 eine Empfehlung (2020/403) mit ähnlichem Tenor veröffentlicht. Der verkürzte Prüfgrundsatz der ZLS stellt das absolute Minimum einer Verkürzung des Prüfprogrammes der europäischen Norm EN149 dar. Masken, die nicht mindestens dem Prüfstandard der CPA entsprechen, bergen ein hohes Risiko, dass sie nicht den Schutz bieten, den man von ihnen erwartet. Sie sind ein erhebliches Gesundheitsrisiko und täuschen eine falsche Sicherheit vor. Masken, die vor dem 01.10.2020 beschafft worden sind und bisher nicht mindestens dem CPA Standard entsprechen, können auf der Basis des ZLS-Prüfgrundsatz nachqualifiziert werden. Die Zeile 7 des Anhangs der Corona-ArbSchV wird durch den Eintrag CPA abgedeckt.
Zu Buchstabe c
Der Eintrag CPA (Zeile 6) deckt die gelöschte Zeile 7 der Anlage ab. Die Anfügung des Satzes in der Fußnote 1 beinhaltet einen wichtigen Beispielsfall einer CPA.

Referentenentwurf zur Ersten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzbverordnung vom 10.03.2021 (Hervorhebungen durch mich)

Anders formuliert – die „Schutzmasken“ des Bundesministeriums für Gesundheit nach dem BMG/BfArM/TÜV-Prüfgrundsatz sind in der Anlage weiterhin enthalten, wenn sie dem CPA-Prüfgrundsatz entsprechen (würden). Hierfür könnten die „Schutzmasken“ des Bundesministeriums für Gesundheit sogar nach dem zurückgezogenen CPA-Prüfgrundsatz nachqualifiziert werden.

Nach dem also der Weg der Bereitsstellung wieder verschlossen war, wurden die CPI-Schutzmasken vom Bundesministerium für Gesundheit ausgedacht und fand in der Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 28.05.2021 Eingang:

§ 5b Schutzmasken in der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz
[…]
(4) Die in der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz vorgehaltenen Schutzmasken müssen einem in der Anlage genannten Maskentyp entsprechen.

Anlage
Corona Pandemie Infektionsschutzmasken
CPI BMG/BfArM/TüV-Prüfgrundsätze Vom Bund im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben nach § 1 Absatz 1 und 2 der Verordnung vom 8. April 2020 (BAnz AT 09.04.2020 V3) beschaffte Schutzmasken. Deutschland

Infektionsschutzgesetz in der aktuellen Fassung

Also hier taucht der Begriff der Corona Pandemie Infektionsschutzmasken erstmalig auf. Die zu grundliegenden Prüfgrundsätze bleiben jedoch unbekannt.

In der Bundestag Drucksache 19/30186 vom 31.05.2021 als Antwort auf die Bundestag Drucksache 19/28727 vom 27.04.2021 steht diesbezüglich:

II.Regulatorische Ausgangslage:
Festzuhalten ist zunächst, dass eine spezifische Infektionsschutzmaske für den Einsatz in einer pandemischen Krisensituation bei Beginn der Beschaffungsmaßnahmen des Bundes nicht existierte. Dem hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) durch einen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie dem TÜV Nord entwickelten Kriterienkatalog und Prüfmaßstab Rechnung getragen. Im Infektionsschutzgesetz sind diese Vorgaben jetzt als Corona Pandemie Infektionsschutzmasken (CPI-Masken) in der Anlage zu einem § 5 b festgehalten worden. Hierbei handelt es sich um vom Bund im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben nach § 1 Absatz 1 und 2 der Verordnung vom 8. April 2020 (BAnz AT 09.04.2020 V3) beschaffte Schutzmasken zum Infektionsschutz, die nach den entsprechenden Prüfgrundsätzen, die vom BMG, BfArM und TÜV entwickelt wurden (im Folgenden: Prüfgrundsätze für CPI-Masken) qualitätsgeprüft wurden.

Bundestag Drucksache 19/30186 vom 31.05.2021 Seite 2

Eine rechtliche Grundlage wurde also am 28.05.2021 (nach einer Kleinen Anftrage vom 27.04.2021 geschaffen.

Ferner wurden in kurzer Zeit auf den erforderlichen Infektionsschutz und die verschiedenen Maskenty-pen ausgerichtete labortechnische CPI-Prüfgrundsätze entwickelt. Diese umfas-sen den „Prüfgrundsatz in Anlehnung an EN 149“, den „Prüfgrundsatz in An-lehnung an GB 2626“ sowie den „Prüfgrundsatz für SARS-Cov-2 Pandemie – medizinische Gesichtsmasken – Rev. 0 vom 14. April 2020“ .

Bundestag Drucksache 19/30186 vom 31.05.2021 Seite 10

Auf die Frage nach den Maßnahmen zur Umsetzung der Einführerpflichten antwort die Bundesregierung:

16. Welche Maßnahmen hat das Bundministerium für Gesundheit ergriffen, um die Pflichten als Einführer beim Inverkehrbringen von PSA entspre-chend der MP-PSA-BeschaffungsVO zu erfüllen?
a) Wenn keine Maßnahmen entsprechend der Pflichten als Einführer nach Artikel 10 der Verordnung (EU) 2016/425 ergriffen worden sind, warum nicht?
b) Wie hat das Bundesministerium für Gesundheit seine Pflichten als Einführer für die nach MP-PSA-BeschaffungsVO auf ihre Veranlas-sung in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Schutzmasken wahrgenommen, um zu verhindern, dass die Produkte, für die sie die Einführerpflichten hat, nicht auf dem Markt bereitge-stellt werden?

Wo vorhanden, wurden die Pflichten als Einführer durch die spezifischen vom BMG, BfArM und dem TÜV Nord gemeinsam für die vom Bund beschafften CPI-Masken entwickelten Qualitätssicherungsverfahren nach Maßgabe der Prüfgrundsätze für CPI-Masken erfüllt. Bestandteil des Testverfahrens war auch die Erstellung einer Dokumentation in Form von Prüfprotokollen, in deren Rahmen die Prüfergebnisse festgehalten sind. Ferner stand das BMG selbst und eine Hotline (call center des TÜV Nord) zur Beantwortung von Fragen der Empfänger von Schutzmasken bereit. Schließlich trägt das BMG jeweils anlassbezogen für die Erfüllung von Einführerpflichten Sorge.

Bundestag Drucksache 19/30186 vom 31.05.2021 Seite 18 (Hervorhebungen durch mich)

Hierzu sind folgende Anmerkungen zu machen:

  • die Prüfergebnisse basierten gar nicht auf den CPI-Prüfgrundsätzen (wenn dann überhaupt den für medizinische Gesichtsmasken)
  • die Zuordnbarkeit der Prüfergebnisse zu den „Schutzmasken“ war da bereits durch das Landgericht Bonn in Frage gestellt (und sollte den Antwortgebern bekannt gewesen sein)
  • die CPI-Prüfgrundsätze waren bisher niemanden bekannt

Von daher widmet sich eine eigene Seite der Fragestellung rund um die CPI.